23.2.2017: Architekturwettbewerb: Modellhaus für Studierende in Weimar entschieden.

Das Preisgericht im Realisierungswettbewerb für ‚Das 100. Wohnhaus für Studierende am Horn in Weimar’ hat unter Vorsitz von Prof. Gerd Zimmermann zwei erste Preise und einen zweiten Preis vergeben.

Jeweils einen ersten Preis erhalten Dipl.-Ing. Thomas Wasserkampf (Aachen) sowie Almannai Fischer, Reem Almannai, Florian Fischer Architekten PartGmbB (München). Diese Preise sind mit je 10.000 Euro dotiert. Der zweite Preis in Höhe von 6.000 Euro geht an Wiencke Architekten (Dresden). 

Ein 1. Preis: Architektur Büro Dipl.-Ing. Thomas Wasserkampf, Max Wasserkampf, Aachen/Weimar
Der Wettbewerb hat in seiner Aufgabe die Empfehlung zu Holz als Baustoff ausgesprochen. In diesem Fall wurde ein Holzhaus konzipiert, das nach außen seine materialspezifische Fügung zu einem gliedernden Prinzip ausformuliert. Trotz einer neuen Oberflächensprache fügt sich der Bau in die Gesellschaft der massiven Nachbargebäude ein. Im Inneren wird versucht, alle Verkehrsflächen zugunsten der Wohnbereiche zu eliminieren. So legt sich um den zentralen Treppenturm eine Abfolge aus Wohn- und Essbereichen samt den dazugehörigen Loggien. Die  Wandlungsmöglichkeit der Grundrisse vom Studierendenappartement bis zur Familienwohnung ist eine Stärke dieser Arbeit.

Ein 1. Preis: Almannai Fischer, Reem Almannai, Florian Fischer Architekten PartGmbB, München
Mit einer klaren, massiven und fast geschlossenen Fassade gibt der Entwurf zum Carl-Alexander-Platz wenig von seinem Inneren preis. Umso mehr öffnet er sich nach Süden mit Terrassen und einem Laubengang, der alle Wohnungen erschließt. Die Wohnungen sind auf die gesamte Breite des Gebäudes durchgesteckt und entwickeln vom lichtdurchfluteten Gemeinschaftsbereich bis hin zu den Schlafräumen eine zunehmende Privatheit. In dieser Konsequenz und über eine lichte Etagenhöhe von 3,15 m werden Angebote für viele Wohnansprüche möglich. 

2. Preis: Wiencke Architekten, Dipl.-Ing. T. Maisch, Dipl.-Ing. J. Wiencke, Dresden
Hier zeigt sich ein Quader auf einem massiven Sockel mit einem allseitig prägenden, stählernen Konstruktionsraster. Der Entwurf gibt sich an den gläsernen Zimmerfronten gleichzeitig unnahbar und ist dabei fast gänzlich transparent. Mit diesem Wechselspiel rechnet das Haus, das im Inneren seine Wohnungen nach Ost und West zu eben diesen Glasfassaden ausrichtet. Die Idee eines zentralen Mittelgangs um ein abgeschlossenes Treppenhaus herum hat viele Vorschläge des Wettbewerbs geprägt. Für diese Zwischenfläche mit Anschluss an zwei Gemeinschaftsterrassen ist ein räumlicher Nutzen für alle Bewohner absehbar.

Einer der drei Preise soll bis 2019 baulich umgesetzt sein. Das Vorhaben macht Wohnen zum Experimentierfeld. Damit nimmt der Neubau ganz unmittelbar Bezug auf das historische Bauhaus und das nahegelegene Haus am Horn. Wie würde das Bauhaus heute bauen? Die Auslober – Studierendenwerk Thüringen in Kooperation mit Stiftung Baukultur Thüringen und IBA Thüringen – wollen es zu 100% durchdacht haben: vom digitalen Planungs- und Bauvorlaufprozess und optimierten Bauablauf über Klimaneutralität und Regionalität bis zur Ressource Holz. 

An dem EU-weiten offenen Architekturwettbewerb hatten sich 60 Architekturbüros beteiligt. Nach dem Abschluss des Wettbewerbsverfahrens durch die Jurysitzung am 21. und 22. Februar 2017 tritt das Studierendenwerk Thüringen, begleitet durch die Stiftung Baukultur Thüringen und IBA Thüringen, mit den Preisträgern in Verhandlung, um einen geeigneten Partner für die weiteren Planungsschritte zu finden. Die konkrete Bauplanung soll bereits 2017 beginnen. Im Jahr 2019, dem Jahr des hundertjährigen Gründungsjubiläums des Bauhauses in Weimar und dem Zwischenpräsentationsjahr der IBA Thüringen, soll der Bau eröffnet werden. 

Sachpreisrichter Dr. Klaus Sühl, Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft erläutert: „Die drei Preisträger erfüllen den Anspruch der IBA Thüringen, modellhafte und innovative Projekte zur Architektur im Freistaat zu befördern. Mit dem Modellhaus fördern wir günstiges und nachhaltiges Wohnen für Studenten in Thüringen. Der Bau wird Weimar architektonisch bereichern und als Studienstandort noch attraktiver machen. In der Tradition der Bauhaus Architektur verbinden die Gewinnerentwürfe Kunst, Handwerk und soziale Funktion optimal miteinander.“

Der Juryvorsitzende, Prof. Gerd Zimmermann, Präsident der Stiftung Baukultur Thüringen, ergänzt: „Der Wettbewerb hat gezeigt, dass die aktuellen und möglichen zukünftigen Fragen des Wohnens über die gestellten Anforderungen eines Studierendenwohnhauses weit hinaus gehen. Die drei prämierten Arbeiten spiegeln diese Auseinandersetzung in sehr unterschiedlichen Spielformen wieder. Das Gebäude wird neben seiner inneren Verfassung immer auch als Baukörper in der Stadt von weitem gesehen werden. Das heißt, dass durch den Neubau im Ensemble um die ehemalige Streichhan-Kaserne ein baukulturelles Signal für Weimar gesetzt werden muss.“

Die eingereichten Entwürfe sind bis 16. März 2016, jeweils Donnerstag bis Sonntag 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr, in der Neufert-Box in Gelmeroda ausgestellt. Der Eintritt ist frei. 
Für das Wettbewerbsverfahren ‚Das 100‘ und die anschließende Ausstellung hat die Neufert-Stiftung die Neufert-Box – in direkter Nachbarschaft zum Versuchshaus Ernst Neuferts, das unter dem Einfluss der Lehre des Bauhauses 1929 entstanden war –, zur Verfügung gestellt. Die Neufert-Box ist ein Experimentalbau in Holzbauweise, gebaut 1999 anlässlich des 100. Geburtstages von Ernst Neufert.

Weitere Informationen und Materialien zum Wettbewerb finden Sie unter: www.iba-thueringen.de/wettbewerb-das-100

Pressebilder finden Sie unter: https://ibat3.de.quickconnect.to/photo

Ausstellungsdaten
‚Das 100’ – Wohnhaus für Studierende.
Ausstellung der Wettbewerbsergebnisse 

23. Februar bis 16. März 2017
Neufert-Box
Rudolstädter Str. 7
99428 Weimar-Gelmeroda
Öffnungszeiten: Donnerstag bis Sonntag, 15.00 bis 18.00 Uhr
Eintritt frei

Hintergrund zum Standort und zur Aufgabenstellung
Oberhalb der Stadt Weimar liegt ein ehemaliges Militärgelände, das um die Streichhan-Kaserne ein historisches Ensemble umfasst. Dazu zählt seit einem städtebaulichen Wettbewerb von 1997 ein Gelände, das unter anderem als ‚Neues Bauen am Horn’ zu einer Art Musterstadtteil gewachsen ist. Der Wettbewerb sah am Westende des Carl-Alexander-Platzes ein turmartiges Gebäude vor. Seine Bestimmung als Studierendenwohnhaus sollte Teil einer größeren Wohnanlage für Weimarer Studierende werden. Position und Kubatur des Gebäudes sind durch einen Bebauungsplan  seitdem festgelegt.

Das Studierendenwerk Thüringen, die IBA Thüringen und die Thüringer Stiftung Baukultur haben im Jahr 2016 für dieses Vorhaben ein Konzept verfasst, das einem modellhaften Gebäude, einer mehrfach nutzbaren Funktion und dem städtebaulich prominenten Standort gerecht werden soll. Mit dem ehrgeizigen Vorsatz, einen Bau mit zu 100% erfüllten guten Eigenschaften zu bekommen, wurde der Projektname ‚Das 100’ geboren. Wohl wissend, dass jedes Bauprojekt in seinem Entstehungsprozess auch einen Kompromissweg beschreitet, ist dennoch angestrebt, im digitalen Planungs- und Bauvorlaufprozess, im optimierten Bauablauf, im Verfolgen von Klimaneutralität in Bau und Betrieb, in der Ausrichtung auf regionale Ressourcen und schließlich in der Berücksichtigung des Materials Holz einen möglichst hundertprozentigen Optimalwert zu erreichen.

Dass gleichzeitig mit dem Wettbewerbsverfahren ein Forschungsantrag im Bundesprogramm ‚Variowohnungen’ zu diesem Projekt gestellt wurde, stattet das Projekt und vor allem auch die Themenstellung des Wettbewerbs mit einer zusätzlichen Finesse aus: Die geplanten Wohnungsangebote im Neubau sollen nicht nur studentisch nutzbar sein, sondern für eine eventuelle Weiternutzung als Generationenwohnhaus vorbereitet werden. Der Kubus ist somit hinsichtlich seiner Flexibilität, seiner Lernfähigkeit und wortwörtlich seiner nachhaltigen Tugenden ein Modellvorhaben. 

Das elfköpfige Preisgericht setzte sich zwei volle Tage gründlich mit den Wettbewerbsarbeiten auseinander. Die als Preisträger ausgewählten Arbeiten sind neben der klugen Mischung der gestellten Ansprüche auch mit einer schnellen Umsetzung verbunden. Denn möglichst im Jubiläumsjahr des Bauhauses soll der Turm bereits gebaut sein, um dann zur Feier eine weitere 100 beizutragen, nämlich jene 100 Jahre, die seit der Gründung des ersten Weimarer Bauhauses vergangen sind. Die Widmung des Studierendenhauses als IBA Kandidat soll zusätzlichen Rückenwind geben, um ein Gebäude zu schaffen, das diesem Jubiläumsanlass an seinem exponierten Standort in Weimar würdig ist. 100% IBA. 

Mitglieder des Preisgerichts
Fachpreisrichter: 

  • Prof. Dipl.-Ing Verena von Beckerath, Architektin Berlin/Weimar
  • Dr. Marta Doehler-Behzadi, Geschäftsführerin der IBA Thüringen
  • Prof. Dipl.-Ing. Karl-Heinz-Schmitz, Bauhaus-Universität Weimar
  • Dipl.-Ing. ETH Yves Schihin, Architekt Zürich
  • Prof. Dipl.-Ing. Stefan Winter, TU München
  • Prof. Dr. Gerd Zimmermann, Architekt Weimar, Stiftung Baukultur Thüringen

Sachpreisrichter:

  • Dr. Dieter Gentsch, Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft 
  • Dipl.-Ing. Ursel Grigutsch, Stadt Weimar
  • Dipl.-Ing. Beate Hauser, Studierendenwerk Thüringen
  • Dr. Klaus Sühl, Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft
  • Dipl.-Ing. Lars-Christian-Uhlig, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)