Neue IBA Projekte nominiert
Die IBA Thüringen hat vier Kandidaten zu IBA Projekte nominiert. Dies empfahl der IBA Fachbeirat in seiner letzten Sitzung Ende Juni. Den Projektstatus erlangt haben die Kunstkapelle St. Anna in Krobitz, Schloss Schwarzburg als Denkort der Demokratie, der Holz-Versuchsbau Timber Prototype und die Tank- und Rastanlage ‚Leubinger Fürstenhügel’. Damit haben nun insgesamt sieben IBA Projekte ihre Qualifizierungsphase erfolgreich abgeschlossen und sind in die Umsetzungsphase getreten. Schon in diesem Herbst werden mit dem Timber Prototype in Apolda und der StadtLandScheune in Bedheim zwei Gebäude sichtbar sein, die für hochwertige Baukultur in Thüringen stehen werden. Die St.-Anna-Kapelle in Krobitz wurde bereits mit dem Kunstprojekt von Carsten Nicolai wieder in Nutzung genommen. Und mit Shell Oil Deutschland GmbH konnte ein Konzessionsnehmer für die Tank- und Rastanlage ‚Leubinger Fürstenhügel’ gefunden werden, der mit der Umsetzung beginnt.
Kunstkapelle St. Anna in Krobitz
Die Kunstkapelle St. Anna in Krobitz ist ein Teilprojekt des IBA Kandidaten Perspektiven für kirchliche Gebäude in Thüringen – Aufgabe, Abgabe, Wandel. Der international renommierte Künstler Carsten Nicolai hat eigens für diese Kapelle aus dem 11. Jahrhundert eine skulpturale Arbeit entwickelt: ‚organ’ ist im weitesten Sinne ein Musikinstrument, das von frühen Entwürfen sogenannter Flammenorgeln aus dem späten 18. Jahrhundert inspiriert ist. Im Gegensatz zur klassischen (Kirchen-) Orgel erzeugen hier Flammen die Töne, indem sie die Glaszylinder zum Mitschwingen anregen. Das Kunstprojekt schafft einen starken Ort und verleiht der romanischen Kapelle, die einen Fixpunkt in der sanft anmutenden Landschaft im Saale-Orla-Kreis bildet, neue Strahlkraft. Alt und Neu, Tradition und Innovation verbinden sich ideal. Barbara Holzer, Mitglied des IBA Fachbeirats, lobt: „Der innovative Esprit, der behutsame Umgang mit dem Ort und seiner Tradition und die Partizipation und Interaktion von und mit Menschen zeichnen diese künstlerische Arbeit aus.“
Kunst ist eines von mehreren Themen, die sich aus dem Ideenaufruf ‚STADTLAND:Kirche. Querdenker für Thüringen 2017’ als geeignete Wege zur Umnutzung von leeren und untergenutzten Kirchengebäuden herausgestellt haben. Mit dem Aufruf haben sich EKM und IBA Thüringen gemeinsam auf die Suche nach neuen Nutzungen für leerstehende Kirchen gemacht. Auch die Themenfelder Natur, Soziales, Netzwerke, Beherbergung und Gesundheit werden in den kommenden Jahren modellhaft weiter entwickelt. Drei bis fünf besonders spannende und originelle Vorschläge sollen bis zum IBA Finale im Jahr 2023 als IBA Projekte baulich umgesetzt werden. Damit können diese einen Beitrag zum Umgang mit Leerstand und der Wechselwirkung von Stadt und Land leisten. Weitere Umnutzungsideen sind in der Ausstellung ‚500 Kirchen – 500 Ideen‘ noch bis 19. November 2017 in der Erfurter Kaufmannskirche zu besichtigen. Ideenaufruf, Ausstellung und Kunstprojekt in Krobitz werden unter anderem von der Kulturstiftung des Bundes gefördert.
Schloss Schwarzburg – Denkort für Demokratie
2019 jährt sich die Unterzeichnung der Weimarer Verfassung durch Friedrich Ebert in Schwarzburg sowie die Gründung des Bauhauses in Weimar zum hundertsten Mal. Im Dritten Reich wurde das barocke Schloss Schwarzburg bis zur Unkenntlichkeit verwüstet, als es zu einem Reichsgästehaus umgebaut werden sollte. So ist das Schloss Schwarzburg auch ein Mahnmal für die Gefährdungen von Demokratie. In diesem Kontext soll das Schloss Anlaufstelle für Projekte und demokratische Bildung im ländlich geprägten Schwarzatal sowie in Korrespondenz zum Weimarer ‚Haus der Demokratie‘ entwickelt werden. Die bauliche Sicherung und Umnutzung für eine erste Raumeinheit wird mit 750.000 Euro gefördert aus Bundesmitteln als national bedeutendes Projekt des Städtebaus. Schloss Schwarzburg ist ein Teilprojekt des IBA Kandidaten Experimentierfeld resilientes Schwarzatal.
Fachbeiratsmitglied Prof. Andreas Wolf, HTWK Leipzig, zur Bedeutung des neuen IBA Projekts: „Der weithin sichtbare, während der Nazizeit fragmentierte Haupttrakt der Schwarzburg versinnbildlicht die existenzielle Bedeutung verantwortlicher politischer Kultur und demokratischer Praxis in und für StadtLand. Für das IBA Zwischenpräsentationsjahr 2019 bietet sich die besondere Chance, historische Formen des republikanischen Gesellschaftsvertrags und aktuelle Diskurse um rechte Tendenzen im ländlichen Raum kritisch aufzugreifen und zugleich symbolisch zu verorten.“
Am 28. Juni 2017 haben die Akteure aus den Händen der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit die Förderurkunde für den Ausbau von Schloss Schwarzburg als Denkort für Demokratie entgegengenommen. Als nächstes ist geplant, Planungsleistungen für den nutzungsbezogenen Teilausbau einer Raumeinheit zu beauftragen und in die bauliche Umsetzung zu gehen.
Die Kunstkapelle St. Anna in Krobitz ist im Rahmen der IBA Kandidatur der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland entstanden.
Schloss Schwarzburg soll zu einem Denkort für Demokratie werden. Foto: Thomas Müller
Timber Prototype: Visualisierung des Innenraums. Darstellung: Geronimo Bujny
Siegerentwurf zur Tank- und Rastanlage ‚Leubinger Fürstenhügel’ von MONO Architekten, Berlin
Timber Prototype
Der Timber Prototype ist ein wandelbares Bauwerk in einer experimentellen, hochdämmenden Holzbauweise mit rund 20 Quadratmetern Grundfläche. Der Bau als Ergebnis eines Forschungsprojektes bietet Lösungsansätze für zwei wesentliche Probleme des Bauens: die Erhöhung des Anteils an nachwachsenden Rohstoffen in modernen Bauweisen und die Verbesserung der Wiederverwendbarkeit von Baumaterial.
„Seit einigen Jahren erfährt der Baustoff Holz in Fragen der Nachhaltigkeit und Vorfertigung eine rasante Entwicklung. In Regionen wie Süddeutschland, Vorarlberg oder der Schweiz trägt er zur Wirtschaftskraft und baukulturellen Identität bei. In Thüringen hingegen hat er ein hohes Entwicklungspotential. Durch die Verknüpfung modernster Entwurfs- und Fertigungstechnologien in Kombination mit dem regionalen Baustoff möchte das Projekt sowohl technisch als auch gestalterisch die Spielräume ausloten und neue Entwicklungsperspektiven aufzeigen“, so IBA Fachbeiratsmitglied Barbara Holzer.
Der Prototyp wird im Herbst 2017 aus robotisch vorgefertigten Holzelementen auf dem Gelände des Eiermannbaus in Apolda montiert. Denkbar ist ein anschließender Aufbau auch an anderen Standorten in Thüringen. Unterschiedliche Nutzungen beziehungsweise Möblierungen sind je nach Kontext möglich. Eine denkbare Nutzungsart ist eine minimierte Wohnfunktion in dieser Mikroarchitektur.
Tank- und Rastanlage ‚Leubinger Fürstenhügel’
In unmittelbarer Nachbarschaft der bedeutenden archäologischen Fundstätte ‚Leubinger Fürstenhügel‘ entsteht an der Bundesautobahn A 71eine Tank- und Rastanlage. Dabei sollen die Ergebnisse eines europaweit ausgelobten interdisziplinären Planungswettbewerbs – Hochbauarchitektur, Landschaftsarchitektur, Kommunikationsdesign – zu einer beispielgebenden Lösung einer Baukultur ‚Made in Thüringen’ umgesetzt werden, die Bezug auf das archäologische Erbe der Region nimmt. Mit der IBA Projektnominierung für die Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel unterstreicht die IBA Thüringen die Bedeutung eines erfolgreichen Verlaufs des Vergabeverfahrens. Gemäß der Empfehlung des Fachbeirats der IBA Thüringen ist dies besonders der Fall, wenn die Umsetzung des mit dem 1. Preis ausgezeichneten Wettbewerbsentwurfs aus dem für die Tank- und Rastanlage durchgeführten Planungswettbewerb erreicht werden kann. Am 1. September 2017 erhielt Shell Deutschland Oil GmbH den Zuschlag als Konzessionsnehmer der Tank- und Rastanlage für mindestens 30 Jahre und wird den Siegerentwurf des interdisziplinären Planungswettbewerbs und die Empfehlungen der IBA Thüringen umsetzen.