Bei einer ihrer letzten Touren durch Thüringen war die IBA im Landkreis Greiz zu Gast. An vier Stationen lernte sie die Region und ihren Umgang mit dem starken Bevölkerungsrückgang, mit Leerstand und mit neuen Perspektiven in der Stadtentwicklung und Landwirtschaft kennen, Themen die bei der abendlichen öffentlichen Diskussion auf der Osterburg in Weida vertieft wurden.
Zeulenroda-Triebes: Wo bitte ist hier die Party?
Zeulenroda-Triebes, das klingt nach Provinz. Dabei gibt es hier vieles, was das Leben angenehm macht: schöne Landschaft, einen großen Stausee mit reichem Freizeitangebot, ausgezeichnete Rad- und Wanderwege und bald noch ein "Panorama Spa". Die Lebenskosten sind niedrig und Arbeit ist auch vorhanden. Hier gibt es wirtschaftlich starke Betriebe, die das Problem des Fachkräftenachwuchses plagt. Denn seit der Wende sind über 20% Prozent der Bevölkerung abgewandert, der Rückgang bei Jugendlichen liegt deutlich höher. Deshalb sucht die Stadt nach neuen Perspektiven.
Der "Arbeitskreis Schule-Wirtschaft" spricht frühzeitig Jugendliche aus der Region an und wirbt für die Stärken der Gegend. Junge Mitarbeiter werden besonders gepflegt, in der Hoffnung, dass sie sich hier langfristig niederlassen. Marco Lange, Geschäftsführer des BioSeehotels Zeulenroda, erklärt: „Nach der Ausbildung schicken wir unsere Azubis in die Welt, das ist in der Hotelbranche so üblich. Aber wir bleiben immer in Kontakt mit ihnen, über Facebook zum Beispiel. Und einmal im Jahr laden wir alle zu einer Feier ein, damit sie sehen: wir sind interessiert an ihnen.“
Auch wenn das Unterhaltungsangebot für Jugendliche dünn ist, seien die langfristigen Aussichten gut, so Bürgermeister Dieter Weinlich. Zum Beispiel für Familiengründungen. Der Eigenheimbau sei günstig wie selten, die Stadt weist bereits neue Baugebiete aus.
Im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte sucht die Stadt weltweit. Doch Menschen aus dem Ausland in eine Region zu locken, von der sie noch nie gehört haben, eine Region ohne ausgeprägte Internationalität, große Zentren und Metropolen, ist eine schwierige Aufgabe. Hier setzt der IBA Kandidat „150 Perspektiven – Campus Zeulenroda-Triebes“ an. Stadtverwaltung, Unternehmen und Wohnungsbaugesellschaft arbeiten eng zusammen, um einen Campus für junge Menschen aus dem Ausland zu schaffen. Mit Willkommenskultur, guter Integrationsarbeit und der Gemeinschaft von Gleichaltrigen sollen sie sich in der Gemeinde wohl fühlen und langfristig niederlassen.
Greiz: Verführerischer Leerstand
Jugendstilvilla in bester Innenstadtlage, Parkettfußboden, 3m Deckenhöhe, 5 Euro pro Quadratmeter. Hört sich so ein Problem an? Wenn die Innenstadt Greiz heißt, offenbar schon. Denn solche Immobilien gibt es hier im Überfluss. Das Angebot ist zu groß für einen funktionierenden Immobilienmarkt, der Leerstand verhindert lebendige Quartiere. Allein in der Innenstadt stehen 25 % der Gebäude leer, ganze Straßenzüge sind verwaist. In den Straßen der Neustadt hat sich eine gewisse Melancholie eingeschrieben.
Um die Jahrhundertwende war Greiz eine der reichsten Städte Deutschlands. Die Textilindustrie führte zu einem enormen Boom, tausende Menschen ließen sich nieder, die Stadt entwickelte die höchste Millionärsdichte des Landes. Der Wohlstand der Bürger schlug sich natürlich auch in der Bautätigkeit nieder und noch heute verfügt Greiz über einen reichen Bestand repräsentativer Jugendstilvillen. Viele davon stehen unter Denkmalschutz, aber leer. Das Klientel für großzügige Altbauten fehlt. Aber nicht nur. Der Greizer Stadtplaner Dieter Obenauf nimmt auch die Hauseigentümer in die Pflicht. Viele würden sich nicht um die Entwicklung ihrer Immobilie kümmern, zahlreiche Eigentümer seien gar nicht auffindbar. Hier will die Stadt offensiver auftreten und sich um Lösungen bemühen.
In dem Musterprojekt "Initiative Wohnstandort Innenstadt" bietet die Stadt derzeit sieben stadtbildprägende Bauten aus ihrem Besitz an, um durch deren Sanierung gezielt die jeweiligen Quartiere aufzuwerten. Das soll zur Nachahmung anregen. Der Verkauf erster Objekte zeigt, dass der Ansatz erst einmal aufgeht, für klare Erfolgsmeldungen ist es aber noch zu früh. Klar ist, dass eine gesteigerte Attraktivität den Bevölkerungsschwund nicht bremsen wird. Aber vielleicht gelingt es, den Einwohnerrückgang und Leerstand in der Innenstadt aufzuhalten.
Vielleicht muss sich auch nur unter den freischaffenden Kreativen dieses Landes herum sprechen, dass auf sie hervorragende Wohn- und Arbeitsbedingungen jenseits der Metropolen warten. Indem sich das Motto der Stadt abwandelt zu "Greiz ist geil".