Bedheim, Sch(l)afstall

Bedheim, Sch(l)afstall

Land Bau Kunst

Gute Architektur kommt aus der Stadt und findet man in der Stadt: Diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn Baukultur vorrangig im urbanen Raum gesucht wird. Doch herausragende Architektur gibt es auch im ländlichen Raum. Immer öfter wandert der Blick der Fachwelt dorthin. Einfachheit, Ressourcenbewusstsein und Landschaftsbezüge sind die Maxime einer neuen Generation von Gestalter:innen, die Baukultur auf dem Land konsequent zeitgenössisch fortschreiben.

Ein Paradebeispiel dieser neuen Avantgarde auf dem Land entdeckt man ganz im Süden Thüringens, in Bedheim.

Neben der Denkmalpflege sind die Kernthemen der Gruppe aus Architekt:innen, Künstler:innen und Handwerker:innen solidarische und soziale Landwirtschaft, Mietwohnungsbau auf dem Land und akademische Rückkopplung. Hand und Kopf sollen hier am Standort zusammenkommen.

Eines der Vorhaben des Studios Gründer Kirfel, die Neue Remise für Schloss Bedheim, wurde 2017 ein IBA Projekt. Das in Holzbautradition gemeinsam mit Studierenden und Handwerker:innen weitgehend im Selbstbau geschaffene Wirtschaftsgebäude, von der IBA ›Sch(l)afstall‹ getauft, setzt diese Tradition auf dem Land fort. Denn trotz der waldreichen Umgebung dieser ländlichen Räume hat der Holzbau bislang keinen guten Ruf, unter anderem wegen der Angst vor Bauschäden durch Feuchte und Schwamm. So gehen die sinnliche Wahrnehmung und das Wissen über das Material sowie das Handwerk mehr und mehr verloren. Studio Gründer Kirfel schaffte mit dem Projekt eine kompromisslose Architektur, die die Möglichkeiten eines nachhaltigen, gestalterisch aufregenden Selbstbaus aufzeigt. Ein Platz auf der Shortlist des angesehenen Preises des Deutschen Architekturmuseums (DAM) würdigt dies. Eine erfolgreiche Filmdokumentation erklärt die Besonderheiten des Projekts und motiviert Folgeprojekte zum qualitätsvollen Bauen mit regionalen Baustoffen im ländlichen Raum.

Studio Gründer Kirfel stärkt mit den in Kooperation mit der IBA durchgeführten Bedheimer Kamingesprächen außerdem die Debatte über Baukultur auf dem Land. Daraus entstand 2015 unter anderem die Bedheimer Erklärung. Die darin formulierten Qualitätskriterien für Baukultur im ländlichen Raum richteten sich sowohl an die Fachwelt als auch an die Öffentlichkeit. Mit ihren Lehraufträgen, Promotionen und regelmäßigen Bauwerkstätten stärkt Studio Gründer Kirfel den Austausch zwischen Stadt und Land. Mit dem Baustart 2017 erprobten sie schließlich selbst die Maximen ihrer Baukultur: Der 7,5 mal 24 Meter große Sch(l)afstall wurde auf dem Natursteinfundament der alten Scheune der Schlossanlage errichtet. Der Holzrohbau wurde dank der Hilfe wandernder Zimmerer nach nur vier Wochen fertig. Fachbetriebe wurden gerufen, wenn es an speziellem Wissen fehlte. Die Studierenden der Bauwerkstatt 2017 halfen unter der Anleitung von Studio Gründer Kirfel und ihren Partner:innen mit. So wurde dem Architekturnachwuchs vermittelt, was nach dem an den Hochschulen geübten Entwerfen und Planen folgt. Denn die tatsächliche, praktische Umsetzung von Entwürfen ist ein in der Ausbildung oft viel zu sehr vernachlässigter Ansatz. Auch der Austausch mit Baugewerken kommt oft zu kurz.

Beim Bau wurde weitgehend auf industrielle Bauelemente verzichtet, auch die Fenster wurden selbst angefertigt.

Das außen dunkle Haus überrascht im Inneren mit hellen Räumen. Im Erdgeschoss des Sch(l)afstalls befinden sich eine großzügige Küche, die als Aufenthalts- oder Ausstellungsraum genutzt werden kann, sowie die sanitäre Anlage.

Ein Schlafsaal und ein Gästezimmer im Dachgeschoss bieten Raum für die zahlreichen Besucher:innen, die das Studio empfängt.

Schloss Bedheim ist ein programmatisch dichter Lebens- und Arbeitsraum für seine Bewohner:innen und Besucher:innen. Die Aktivitäten strahlen in das Dorf und weit darüber hinaus aus. Mit der hier praktisch erprobten regionalen Baukultur wird Studio Gründer Kirfel das ökologische, regionale und gestalterisch exzellente Selbstbauen weiterhin vermitteln. Weitere Projekte im Kontext des Ensembles sind in Planung.

Projektprozess 
Sch(l)afstall Schloss Bedheim im IBA Finale 2023
24. Februar 2023

Sch(l)afstall Schloss Bedheim im IBA Finale 2023

Bauwerkstatt in Bedheim
30. September 2022

Bauwerkstatt in Bedheim

IBA Salon ›Schön hier. Architektur auf dem Land‹ in Bedheim
12. Mai 2022

IBA Salon ›Schön hier. Architektur auf dem Land‹ in Bedheim

Nominierung DAM Architekturpreis 2020
01. Juni 2020

Nominierung DAM Architekturpreis 2020

3. Bedheimer Kamingespräch und Eröffnung Sch(l)afstall
05. Oktober 2018

3. Bedheimer Kamingespräch und Eröffnung Sch(l)afstall

Ernennung zum IBA Projekt
03. März 2017

Ernennung zum IBA Projekt

2. Bedheimer Kamingespräch
21. Oktober 2016

Selbstbau zwischen Baumarktcharme und architektonischem Meisterwerk

Anika Gründer begrüßt als Gastgeberin zum zweiten Bedheimer Kamingespräch. Foto: StudioGründerKirfel

Der holländische Architekt Erik van der Werf resümierte, dass Selbstbau von Nicht-Architekten leider keine innovative oder zukunftsweisende Bauten entstehen ließe. Eigenkreativität und Selbstdenken hätten wir verlernt. Foto: StudioGründerKirfel

Van Bo Le Mentzel, Erfinder der Hartz 4 Möbel, deren Bauanleitung auf der ganzen Welt kostenlos heruntergeladen werden können, plädierte gerade deswegen für eine selbstbauende Gesellschaft. Denn der Selbstbau führe zur Auseinandersetzung mit der Frage, wie man tatsächlich wohnen und leben wolle und was man dazu brauche. Foto: StudioGründerKirfel

Wolfgang Zeh, Architekt und Selbstbauer auf einer 35 qm großen Baulücke in Köln, fasste Selbstbau folgenderweise zusammen: „Selbstbau braucht Zeit, Spaß am Bauen, Wille zum Lernen und richtiges Werkzeug“. Foto: StudioGründerKirfel

Olga Hungar von raumlabor Berlin stellte den Selbstbau als Instrument der Kommunikation, Integration und zur Belebung von öffentlichen Plätzen vor. Foto: StudioGründerKirfel

Nach einem Landspaziergang fand wie beim 1. Bedheimer Kamingespräch ein ausgedehntes Abendessen an einer langen Tafel im Kaminzimmer mit engagiert vorgetragenen Tischreden statt. „Schon mein Vater erkannte die Wichtigkeit der Verbindung von Hand und Hirn“, so Florian Kirfel-Rühle, Schlossbesitzer und Architekt. Auch die eigene Profession wurde kritisch hinterfragt – schließlich hätten die meisten Architekten vergessen, wie man baut. Wären die Handwerker nicht die viel besseren Berater von Selbstbauherren? „Nein“, meinte Herr Thomae, Zimmermannsmeister aus der Region, „die besten Berater wären ein Team aus Architekt und Handwerker“. Eine fingierte Presseerklärung von Judith Resch, Schreinermeisterin und Architektin aus Bayern, die die Abschaffung von Styrodyr ankündigt, fand abschließend großen Beifall.

Der Freude am Selbstbau und dem zweiten Bedheimer Kamingespräch widmet sich auch die Ausgabe #474 der BaunetzWoche. Das Magazin kann man hier als PDF herunterladen.

1. Bedheimer Kamingespräch
24. Oktober 2015

1. Bedheimer Kamingespräch

Das erste Bedheimer Kamingespräch im Josephsaal von Schloss Bedheim.

Landspaziergang vom Schloss in die Umgebung.

Arbeitsessen mit thematischen Tischreden.

Downloads 
StadtLand Gespräch in Bedheim
28. August 2015

StadtLand Gespräch in Bedheim

StadtLand Gespräch im Café von Schloss Bedheim. Von links: Dr. Marta Doehler-Behzadi, Thomas Penndorf, Florian Kirfel, Ulla Schauber, Günther Köhler, Kerstin Faber.

IBA Architektur vor Schloss Bedheim.

Teilnehmer des IBA StadtLand Gesprächs auf Schloss Bedheim in der mobilen Architektur, die von internationalen Studierenden während der IBA Summer School entwickelt wurde.

Sanierungsarbeiten auf Schloss Bedheim.

Illustration des Gesprächs von Rosa Linke und Stefan Kowalczyk

Man zieht nicht zur Arbeit aufs Land, sondern bringt sie mit. Dies bedeutet auch einen sozio-kulturellen und ökonomischen Mehrwert. Initiativen können individuell gebrauchen: mehr politische Wertschätzung, praxisbezogene Beratungsangebote, Aufklärung der Gemeinden und Banken, Bürokratieabbau/Förderangebote, Öffentlichkeitsarbeit, Bürgschaften. Gemeinden und Institutionen wie die Kirche können Brückenbauer sein – mental und faktisch beispielsweise durch Verpachtung von Land an Initiativen. Fehlende Infrastrukturen werden durch Zugezogene oft neu aufgebaut. Hochwertige Baukultur kann anziehend wirken. Trotz höherer Selbstverantwortung wird die Bindung an die Stadt kulturell und ökonomisch gebraucht. Mehr noch als Mobilität ist ein schnelles Internet Voraussetzung dafür. Leben auf dem Land bedeutet ein Leben im Stadtland.

  1. Teilnehmer des Gesprächs waren:
  2. Günther Köhler, Bürgermeister Stadt Römhild
  3. Florian Kirfel-Rühle, Architekt, Studio Gründer Kirfel, Schloss Bedheim (mittlerweile IBA Projekt)
  4. Thomas Penndorf, Gartenbauer und Imker, Lebensgut Cobstädt e.V., Cobstädt
  5. Ulla Schauber, Raum- und Umweltplanerin, Wohnstrategen e.V., Weimar

Das IBA STADTLAND Gespräch in Bedheim wurde durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.

Nominierung zum IBA Kandidat
30. September 2014

Nominierung zum IBA Kandidat

Kalender 

Momentan keine Termine

Ort 
Schloss 1
98630 Bedheim
Deutschland
Förderung
Architektur, Gesamtplanung
Bauausführung
  • Bauleitung und Bauausführung: 
  • Philipp Bader (Zimmerer und Msc. Architektur),
  • Albert Liebermann (Buchbinder)
  •  
  • Bauausführung:
  • Astrid Rühle (Vorsitzende des Fördervereins),
  • Mario Schmidt (Hausmeister),
  • Okubay Kidane (Praktikant),
  • Martin Bachmeier (Metallbauer),
  • Michael Schreiber (Vereinsmitglied),
  • Gudrun Klöckner (Zimmerin),
  • Manou Knepper (Zimmerer),
  • Stefan Feger (Zimmerer),
  • Jakob Rößner (Gärtner),
  • Jakob Fricke (Helfer),
  • Lukas Kiefer (Helfer),
  • Markus Noll (Mitglied Förderverein),
  • Claudia Zauke (Dachdeckermeisterin),
  • Karl Otto Krebs (Mitglied Förderverein),
  • Karl-Friedrich Gründer (Lehrer),
  • Simon von Hackewitz (Abiturient)
  • und das gesamte Studio Gründer Kirfel
  • Teilnehmende des internationalen Workcamps
  • Studierende der Bauhaus-Universität Weimar im Rahmen der Bauwerkstätten 2017 und 2018
IBA Projektleiter