2017 wird an 500 Jahre Reformation erinnert. Ein Anlass zum Feiern, aber auch zum Neu-, Um- und Querdenken. Auch und gerade was die Nutzung vieler Kirchen in Thüringen angeht. Vor allem wegen des demographischen Wandels gehen die Zahlen der Kirchenmitglieder zurück. Die Kirchengebäude und Pfarrhäuser aber bleiben – manch eines steht leer, ist ungenutzt oder wird nur selten mit Leben gefüllt. Vor einem Jahr startete das Projekt 'STADTLAND:Kirche – Querdenker für Thüringen 2017' von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) in Kooperation mit der IBA Thüringen. Ziel war es, vor dem Hintergrund des Reformationsjubiläums 500 Ideen für die Zukunft Thüringer Kirchen zu sammeln. Angesprochen waren vor allem Kirchengemeinden, Planer und Hochschulen.
Das folgende Interview mit Elke Bergt, Leiterin des Baureferats der EKM, erschien zuerst in der April-Ausgabe von EKM Intern, dem Magazin für Haupt- und Ehrenamtliche der EKM, und wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Rund 400 Ideen sind seit dem Aufruf im vergangenen Jahr eingegangen. Nicht ganz 500, wie erhofft. Waren Sie dennoch überrascht über diese rege Beteiligung?
Nein. Überrascht bin ich nicht, aber sehr erfreut, dass sich doch so viele Ideengeber gemeldet haben. Wir haben zu Beginn des Aufrufs doch eine Menge unternehmen müssen; vor allem, um die Kirchengemeinden zum Nachdenken anzuregen. So waren wir mit Workshops unterwegs, um Gemeinden zu ermutigen. Unsere aktivsten Partner waren häufig die Kirchbauvereine. Ich bin froh, dass es da so viel Engagement gibt.
Welche Vorschläge haben Sie besonders berührt?
Vor allem die Vielfalt der Ideen hat mich beeindruckt. So gab es ganz konkrete Vorschläge, wie man z.B. Kirchen mit als Beherbergungsorte nutzen kann. Aber es gab auch Einreichungen, die ganz grundsätzliche Fragen gestellt haben: Wie gehen wir mit Veränderung um? Wirklich berührt hat mich, dass bei fast allen Ideen die Nutzung als Gebetsort, Ruheort oder eben einfach als Ort außerhalb des Alltäglichen erhalten bleiben soll. Wir hatten das nicht eingefordert, sondern die Idee zur Nutzung völlig frei gelassen. Toll finde ich auch, dass nicht nur Menschen, die der Kirche nahestehen, ihre Ideen eingereicht haben, sondern auch Leute, die Lust haben, sich mit dem Thema Kirche zu beschäftigen oder denen diese Orte sehr am Herzen liegen.
Gab es auch Vorschläge, die zu ambitioniert oder realitätsfern waren?
Bei einigen Studentenarbeiten gingen die Ideen schon sehr weit. Eine Sauna- und Wellnesslandschaft in einer Kirche – da fällt mir die Vorstellung schon etwas schwer. Wenn die Kirche allerdings wirklich leer steht und diese Nutzung helfen würde, das Bauwerk für einige weitere Jahrzehnte zu erhalten, dann sollte man darüber nachdenken.
Warum braucht es überhaupt ein solches Projekt? Damit die Kirche im Dorf bleibt? Nur eben anders?
Oberflächlich betrachtet haben wir gar kein Problem mit den Kirchengebäuden. In den Jahren nach der Wende wurde unheimlich viel gesichert, saniert und restauriert. Es gibt nur noch ganz wenige Kirchen, die baulich stark gefährdet sind. Wenn man aber genauer hinschaut, dann sieht man, dass die Menschen, die sich kümmern, in der Regel immer älter und weniger werden und bei allem Engagement schnell an die Grenzen der Belastbarkeit kommen. Wir haben es hier mit Ehrenamt zu tun. Auch die hauptamtlichen Mitarbeiter sind stark belastet. An vielen Stellen wird deutlich, dass die kirchliche Arbeit und die Erhaltung der Gebäude überdacht und anders organisiert werden müssen.
Ab dem 13. Mai werden alle eingegangenen Vorschläge in der Erfurter Kaufmannskirche ausgestellt. Wie kann man sich diese Ausstellung vorstellen?
Wir haben die Ideen in Form von Kurzvideos eingesammelt. In der Kaufmannskirche wird man in Kirchenbänken sitzen, die mit Bildschirmen ausgestattet sind. Dort kann man sich eine bestimmte Anzahl an Ideen anschauen und per Kopfhörer anhören. Für die nächsten Ideen muss man weiterrücken. Die Bänke werden übrigens knallgelb sein. Einige besondere Ideen werden gesondert präsentiert. Dieses sind die modellhaften Ideen, aus denen einige zur Realisierung ausgesucht werden. Ziel ist, verwirklichte Ideen 2023 zum Repräsentationsjahr der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen zu zeigen.
Draußen vor der Kirche wird es einen sogenannten 'Ideengenerator' geben. Was genau steckt hinter dieser Idee?
Ganz einfach: Anregungen und Fragen hinein und die Idee kommt heraus. Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Hinter dem Ideengenerator steckt ein Künstlerprojekt. Man darf gespannt sein.