Saalfeld, Beulwitzer Straße

Raum zum Ankommen

Das heutige Wohngebiet an der alten Kaserne in Saalfeld ist das bunteste und jüngste Quartier im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Die Lage zwischen Stadt und Land bietet der Bewohnerschaft einen weiten Ausblick auf die Landschaft zwischen Saale und Thüringer Wald.

Seit den 1990er Jahren wandelte sich die Beulwitzer Straße zunehmend zu einem sozialen Brennpunkt. 2012 richtete der Landkreis hier eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber:innen ein. Der Bedarf an sozialer Begleitung, Bildung und Integration steigt und verändert sich auch aufgrund der Zuwanderung aus verschiedenen globalen Regionen. Um die Wohnbedingungen und Chancen im Quartier zu verbessern, bewarb sich die Stadt Saalfeld / Saale 2014 beim Wettbewerb »Zukunftsstadt 2030 +« des Bundesforschungsministeriums. Dabei war überraschend, wie positiv die Anwohner:innen über ihr Quartier berichteten. Insbesondere die landschaftliche Qualität des Wohngebiets spielte für sie eine große Rolle. Die Verwaltung erkannte, dass die bis dahin geplante Entwicklung zu einem Gewerbegebiet an den Bedürfnissen vor Ort vorbeiging. Neben Unternehmensansiedlungen waren Räume gefragt, die die ansässige Bürgerschaft stärken und zugleich den Geflüchteten Möglichkeiten der Teilhabe, Bildung und Arbeit eröffnen.

Da kam der Projektaufruf »Arrival StadtLand« wie gerufen: Als Reaktion auf die Flucht von rund zwei Millionen Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten nach Europa suchte die IBA Thüringen 2016 nach Akteur:innen, die die Willkommenskultur in ihrem räumlichen Bestand stärken wollten. Mit ihrer Bewerbung für das Quartier an der Beulwitzer Straße wurde die Stadt Saalfeld / Saale zum Kandidat der IBA Thüringen. Seither haben die Stadt und ihre Partner:innen die Quartiersentwicklung mit Unterstützung der IBA konsequent weiterverfolgt. Innerhalb von zwei Sommerwochen 2017 füllten die Anwohnerschaft und Freiwillige den »Zwischenraum zum Ankommen« auf der Kasernenbrache mit Leben, indem sie einen überdachten Freisitz aus recycelten Materialien und Paletten bauten. Verschiedene Werkstätten und Aktionen luden dazu ein, unter anderem gemeinsam Kräuter anzupflanzen, Fahrräder zu reparieren und Kleidung zu schneidern.

Im Nähworkshop gestalteten Frauen und Kinder mehrere Kleider, die sie in einer Modenschau präsentierten.
Die Sommerwerkstatt 2017 war der Auftakt für die Ideenstudie von Urban Catalyst zur Entwicklung des Quartiers und zur Definition der Bauaufgabe.
Innerhalb von zwei Sommerwochen 2017 füllten die Anwohnerschaft und Freiwillige den »Zwischenraum zum Ankommen« auf der Kasernenbrache mit Leben, indem sie einen überdachten Freisitz aus recycelten Materialien und Paletten bauten.
Neben dem Drucken und Nähen wurden in einem Workshop gemeinsam Fahrräder repariert.
Der überdachten Freisitz aus recycelten Materialien und Paletten wurde durch abwohnende Kinder von außen verschönert.
Es gab einen Workshop zum Linoldruck.
Es entstand ein Kräutergarten aus Tetrapaks.

Um die städtebauliche Entwicklung weiter voranzubringen, beauftragte die IBA Thüringen 2017 Urban Catalyst aus Berlin mit einer Ideenstudie. Während der Sommerwerkstatt erkundeten die Planer:innen gemeinsam mit den Anwohner:innen den Raum. Zunächst an einer großen Ideenwand, und dann auch im Gelände markierten sie die Lieblings- und Konfliktorte, was zu weiteren Gesprächen und Ideen anregte. Schließlich entstand aus mehreren Varianten die Vision für das Werkhaus. Dieses multifunktionale, modulare Gebäude sollte Räume zum Bauen und Reparieren, Kochen und Nähen, Begegnung und Bildung enthalten, aber auch Flächen für ein von Bewohner:innen betriebenes Café und kleinteiligen Handel bieten. Differenzierte Außenbereiche unter anderem für Garten, Sport und Spiel sollten die Innenräume erweitern. Ein Aktionsraumkonzept von nonconform aktualisierte 2020 das Baufeld und präzisierte die Funktionszuordnungen im Quartier. 2021 begann die Architekturphase. In einem partizipativen Prozess formulierte die Arbeitsgemeinschaft ifau, Jesko Fezer und projektbüro das stadträumliche Gerüst und das architektonische Konzept für ein modulares Raumsystem entlang eines Laubengangs. Für die Ausführung entwickelte Sigmaplan® Weimar den Ansatz zu einem einfachen Holzskelettbau weiter. IHLE Landschaftsarchitekten Weimar planten die Freianlagen. Im Sinne des IBA Mottos »Wie wenig ist genug?« sind Baustruktur und Ausstattung auf ein Minimum reduziert. Zugleich ist das Werkhaus offen für künftige Umbauten und Erweiterungen entsprechend der dynamischen Entwicklung im Quartier. Im September 2022 konnte die Bauphase starten. Unter fachlicher Anleitung des Werkhausmanagers beteiligen sich die Bewohner:innen am Ausbau und an der Ausstattung. Dabei kommt auch Recyclingmaterial zum Einsatz, das sie bei einem innerstädtischen Abbruchprojekt gewonnen haben. Das Richtfest und erste Nutzungen sind für 2023 geplant. Nutzer:innen des 570 Quadratmeter großen Innenraums und überdachten Außenraums werden das Quartiersmanagement, Bildungs- und Sozialträger:innen, Vereine und Initiativen aus dem Quartier sein.

Spatenstich Werkhaus Saalfeld_Foto Thomas Müller.jpg
Bewohner des Quartiers, Dr. Bertram Schiffers, Projektleiter IBA Thüringen, Hanka Giller, Leiterin Amt Jugendarbeit/Sport/Soziales Stadt Saalfeld/Saale, Dr. Steffen Kania, Bürgermeister Stadt Saalfeld/Saale, Dipl.-Ing. Jan Weyh, Architekturbüro SIGMA PLAN WEIMAR, Christoph Majewski, Geschäftsführer Bildungszentrum Saalfeld, Laura Köppen, Mitarbeiterin Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (v.l.) beim Spatenstich des Werkhauses an der Beulwitzer Straße in Saalfeld/Saale. Foto: Thomas Müller

Das Werkhaus vereint mehrere innovative Zugänge: den partizipativen Planungsprozess, das flexible Raumprogramm, die Verknüpfung mit dem Freiraum, die modulare Holzbauweise, den Einsatz von Recyclingmaterial sowie die Selbstbauphasen mit den Anwohner:innen. Mit dem Werkhaus reagiert die Stadt gemeinsam mit dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, dem Bildungszentrum Saalfeld und weiteren Partner:innen auf die Herausforderungen und Chancen der Migration sowie auf die Mängel, Bedürfnisse und Potenziale im Wohnumfeld. An der Schnittstelle zwischen Stadt und Land, Wohnen und Gewerbe, Herkunft und Zukunft, Jugend und Arbeitswelt entsteht hier eine dringend benötigte soziale Infrastruktur. Als Scharnier und Sprungbrett soll das Werkhaus Talente sichtbar machen, den Dialog befördern und die Selbsthilfe aktivieren.


Ort


Werkhaus Beulwitzer Straße
Prinz-Louis-Ferdinand-Str. 1
07318 Saalfeld


Projektträgerin

Stadt Saalfeld/Saale



Projektpartner



Aktionsraumkonzept

nonconform, Wien/Berlin



Planung Werkhaus

SIGMA PLAN®, Weimar



Werkhausmanager

BAU WERK 13, Saalfeld/Saale



ELT-Planung

GETA Saalfeld



Brandschutz-Planung

Ingenieurbüro für Brand- und Explo-sionsschutz, Kaulsdorf



IBA Projektleiter

Dr. Bertram Schiffers




Downloads

Gespräch mit Hanka Giller_IBA Magazin 2022.pdf [pdf]

Projektprozess

Werkhaus Beulwitzer Straße Saalfeld/Saale im IBA Finale 2023
22.02.23
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Spatenstich für Werkhaus
30.09.22
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Modellbauworkshop visualisiert Werkhaus
04.04.22
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IBA Fachbeirat empfiehlt IBA Projektstatus für Beulwitzer Straße
04.09.20
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Arrival StadtLand Kongress
13.05.19
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Sommerwerkstatt Zwischenraum zum Ankommen 2017
09.08.17
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Studierende zur Sommerwerkstatt eingeladen
09.06.17
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1. Ideenwerkstatt für den Zwischenraum zum Ankommen
22.03.17
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IBA Fachbeirat empfiehlt Kandidatenstatus für das ›Werkhaus Beulwitzer Straße‹
23.09.16
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