Schwarzatal, Sommerfrische Haus Bräutigam

Neue Gastlichkeit und Umbaukultur

Viele der schönen Fachwerkhäuser im Schwarzatal mit ihren Veranden und Freisitzen, die für die Gäste der Sommerfrische gebaut wurden, stehen heute leer. Sie zeugen damit von der einstigen und weitgehend vergangenen Hochphase des Fremdenverkehrs und bieten heute oft einen traurigen Anblick. Gleichzeitig werfen sie die Frage auf, wie mit der Fortschreibung und Neuinterpretation der Jahrhunderte alten Tradition umgegangen werden kann.

Doch die Häuser der Sommerfrische sind nicht vergessen! Ein wahrscheinlich 1907 erbautes Gästehaus der Bauherrin und Gastgeberin Lydia Bräutigam in Schwarzburg wurde dank vieler aufmerksamer Architekturliebhaber:innen vor dem Abriss gerettet, um es zukünftig flexibel und gemeinschaftlich nutzen zu können. Für ein Hotel ist es zu klein, für eine einzige Familie zu groß. Hervorragend eignet sich diese Architektur zum temporären Arbeiten und Wohnen für Gäste und Vereinsmitglieder aus der Region und darüber hinaus. Diese neue Sommerfrische in Schwarzburg lässt eine neue Form der Gastlichkeit zwischen Stadt und Land entstehen.

Vorerst übernahm der Verein Zukunftswerkstatt Schwarzatal e. V. das leerstehende Haus vom ehemaligen Eigentümer. 2018 bat der Verein eine Gruppe wissenschaftlicher Mitarbeiter:innen der Professur Entwerfen und Wohnungsbau der Bauhaus-Universität Weimar, die sich für ein Studienprojekt im Tal aufhielten, um ihre Einschätzung zum Zustand des Hauses. Recht schnell bildete sich daraus eine Initiative um die Architekt:innen Jessica Christoph, Christine Dörner, Till Hoffmann und Henning Michelsen, die im Rahmen der IBA Thüringen eine Perspektive für das Haus entwickelten. Im Jahr 2019 wurde aus der Initiative heraus der Verein Haus Bräutigam gegründet, der mittlerweile 15 Mitglieder zählt. Im selben Jahr wurde Haus Bräutigam zum IBA Projekt.

Haus Bräutigam in Schwarzburg 2018, Foto: Thomas Müller
Schon nach der ersten Öffnung zum regional bekannten Tag der Sommerfrische im August 2018 wurde offenkundig, welche Bedeutung das Haus Bräutigam insbesondere für die Bevölkerung Schwarzburgs hatte. Viele Besucher:innen erzählten Geschichten über das Haus und seine Erbauerin Lydia Bräutigam: In der DDR diente es als Bettenhaus eines Betriebsferienheims, nach der Wende wurde es aufgekauft und vermutlich nur noch kurz betrieben.
Auch wenn die Nachbarschaft groben Vandalismus verhindern konnte, setzten die knapp 25 Jahre Leerstand der Substanz stark zu.

Im Jahr 2020 gingen Haus und Grundstück in das Sondervermögen StadtLand Thüringen ein, das die IBA Thüringen mit der Stiftung trias gegründet hatte. Der Verein Haus Bräutigam e. V. schloss daraufhin einen Erbbaupachtvertrag über 99 Jahre mit der Stiftung ab. Ein Antrieb für die Vereinsmitglieder war dabei die Gemeinwohlorientierung der Stiftung. Die Erlöse aus dem Erbbauzins des Hauses fließen in neue Initiativen in Thüringen, die ähnlich offen und gemeinschaftsbildend arbeiten wie der Verein.

Erste Bauschule Haus Bräutigam 2021_Fotograf Thomas Müller
Dabei bleiben die bei der Sanierung eines Bestandsgebäudes typischen Überraschungen nicht aus, ein bauzeitlicher Larvenbefall im Holz und ein zugesetztes Fallrohr mit resultierendem Feuchtigkeitsschaden sind zwei der vielen Herausforderungen, die der Verein meisterte.
Haus Bräutigam 1. Bauschule_Foto Thomas Müller
Seit 2021 lädt er Handwerker:innen und Neugierige in Bauschulen zum Mitmachen, Ausprobieren und Forschen ein, nach der Devise: Learning by doing. Ein besonderes Augenmerk liegt immer auf dem gestalterisch hochwertigen und nachhaltigen Einsatz von Materialien, die regional, ressourcenschonend und recycelbar sind.
Haus Bräutigam Baustelle_Foto Thomas Mueller
Mit viel Leidenschaft für Architektur, das Handwerk und insbesondere das gemeinsame Lernen vor Ort arbeitet der Verein an der Instandsetzung des Hauses.

Das Haus soll mit überschaubarem Aufwand, der notwendigen technischen Ausstattung und mit Hilfe von Fördermitteln und viel Eigenleistungen für möglichst weitere 100 Jahre und darüber hinaus in Nutzung genommen werden und dabei eine neue Umbaukultur anstoßen. Zugleich erprobt der Verein eine neue Gastlichkeit, in der sowohl der individuelle Aufenthalt als auch das gemeinschaftliche Bearbeiten verschiedener Fragestellungen zum Tragen kommen.

Die Vielfalt an Themen, Fragen und Diskussionen zur Umbaukultur und neuen Gastlichkeit reflektiert der Verein in einer Magazinreihe, die von der gemeinschaftlich organisierten, ressourcenschonenden Transformation berichtet.

Das IBA Projekt Sommerfrische Haus Bräutigam ist Teil der IBA Projektfamilie im Schwarztal.


IBA Projektgrafik Schwarzatal

Ort


Sommerfrische Haus Bräutigam
Am Schloßberg 10
07427 Schwarzburg


Projektträger:innen



Projektpartner

Zukunftswerkstatt Schwarzatal e.V.



Förderung

  • Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft: »Modellprojekt der Regionalentwicklung« und »Revitalisierung von Brachflächen«
  • LEADER, Europäische Union, Freistaat Thüringen, LEADER Aktionsgruppe Saalfeld-Rudolstadt e. V.
  • Internationale Bauausstellung Thüringen GmbH


Architektur und Bauleitung

Haus Bräutigam e.V.



IBA Projektleiterin

Ulrike Rothe




Downloads

Gespräch mit Jessica Christoph_IBA Magazin 2022.pdf [pdf]

Projektprozess

Sommerfrische Haus Bräutigam im IBA Finale 2023
23.02.23
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2. Bauschule
22.07.22
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1. Bauschule
05.09.21
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